Abenteuer – unterwegs mit Deutscher Bahn
Der SBB Chef Vincent Ducrot beklagte sich über den Auslandsverkehr, vor allem über jenen mit der Deutschen Bahn. Die Schuld fand er in der schlechten Infrastruktur. In der Tat investierte dort Deutschland seit Jahrzehnten zu wenig. Doch die Lage ist eigentlich viel desolater, wie Stephan Zurfluh auf seiner Reise nach Franzensbad erfahren musste.
Deutschland per Bahn zu durchqueren, könnte eigentlich als Abenteuerreise gebucht und erlebt werden. Aus zwei Umsteigemöglichkeiten werden dreimal so viele. Linien sind unterbrochen, die Ansage katastrophal, die Mitarbeiter frustriert und viele Bahnhöfe durch frostig-karge Haltepunkte ersetzt. Schlecht ist also nicht nur das Netz, sondern auch die Politik, Gelder fehlen, und frustrierte Mitarbeiter bringen sich wenig ein. Der Vorstand kassiert für die hohe Mitarbeiterzufriedenheit einen Bonus. Wohl weil an gewissen Stellen vorwiegend Lob ankommt, obwohl Kritik angebracht wäre.
Stephan Zurfluh hatte sein Ticket auf der Webseite der Deutschen Bahn gelöst. Dort werden Sparpreise angeboten. Die hatte er für die Strecke St. Margarethen – München besorgt; hierfür einen durchgehenden Zug von Zürich bis München, von dort aus auf einen Regionalexpress, um nach Marktredwitz umzusteigen und später weiter nach Franzensbad zu fahren. Für die Schweiz besitzt er ein GA, für die regionalen Züge in Deutschland das Deutschlandticket, damit er im tschechischen Zug für seine letzten Kilometer Fahr bequem ein Ticket beim Schaffner lösen kann.
Die Deutsche Bahn hatte ihm also ein Ticket verkauft. Im Internet muss immer sofort bezahlt sowie alle Bedingungen akzeptiert werden. Doch wer liest diese schon ganz durch? Auf besagtem Ticket steht nicht, wer der zuständige Ticketaussteller ist. Stephan Zurfluh hatte schon einmal vor dem Amtsgericht Berlin gegen die Deutsche Bahn geklagt, die Klage war wegen Formfehler abgewiesen worden. Seine Gedanken dazu waren, dass ein Konzern irgendeine Verantwortung für den Zugverkehr tragen müsste oder dafür zuständig ist. Doch dies wurde gerichtlich verneint. Die damalige Erfahrung hinterließ einen bitteren Beigeschmack, der nun wieder hochkam.
Nun wieder zurück zu Stephan Zurfluhs Reise nach Franzensbad; um den EC in Zürich sicher zu erreichen, nahm Stephan Zurfluh einen Zug vorher nach Zürich. Sich für die Fahrt einen Sitzplatz zu reservieren, hatte er vermieden. Denn zu oft fiel das Reservierungssystem oder gleich ein ganzer Zug aus. Ohne fest zugewiesenen Sitzplatz lässt sich dafür oft ein angenehmer Reisebegleiter finden.
Schliesslich vermag auch der Speisewagen manche Not zurechtzubiegen. Doch dieses mangelhafte System beläuft sich bestimmt nicht auf eine gute Lösung für jede Situation und alle Bahnreisenden.
Er stellte sich die Frage: „Schade, wie lange noch, bleibt das ein Traum?“ Als Reisejournalist liegt ihm viel an entspanntem Reisen, einem guten öffentlichen Verkehr in Deutschland, dem Autoland.
Erst in Zürich wurde auf der SBB App der Ausfall der Verbindung nach München angezeigt. Die Alternative via Stuttgart als Direktverbindung fiel ebenfalls aus. Die SBB App listet immer Alternativen auf; „IC nach St. Margarethen, dann weiter via Bregenz und Lindau,“ stand dort. Deshalb ging es gleich weiter.
Vorher ein kurzer Check der Busverbindungen bei FlixBus; „Ein Expressbus fährt ohne Halt zum ZOB nach München, Dauer 3,5 Stunden, Preis Euro 44.–.“ Preise können bei hoher Nachfrage rasch steigen. Busse sind bald alle ausgebucht. Die Deutsche Bahn unterstützt so den Konkurrenten Flixbus.
Die Fahrt von Zürich nach St. Margarethen war angenehm. Ein Umstieg, und die S-Bahn nach Bregenz war gut besucht. Bregenz-Lindau Insel – der Zug war überfüllt, wahrscheinlich wegen des Weihnachtsmarktes. Stephan Zurfluh wäre fast zu früh, in Lindau Reutin ausgestiegen. Lindau Reutin ist ein neuer Durchgangsbahnhof, doch die Züge nach München fahren ab Lindau Insel und halten nicht in Lindau Reutin, obwohl dieser passiert wird. „Ständig muss alles kontrolliert werden! Und warum hält mancher Zug nicht in Lindau Reutin?”
Die Privatbahn Go Ahead fährt ab Lindau Insel, schöne Züge, bequem, direkt nach München fahren sie. Zwar pünktlich unterwegs sind sie, doch mit ständigen Problemen mit Gegenzügen. In München Passing belegte eine S-Bahn das Gleis, daher ereignete sich eine 15-minütige Verspätung. „Warum auch das noch?“
Der Zug nach München war, wie viele Züge dank Zugausfällen, überfüllt. Der Hauptbahnhof in München ist ein quirliger Bahnhof, die Passagiere hetzen umher. Es wurde gerade umgebaut, die Orientierung war schlecht, Servicepersonal oder Schalter waren schwer zu finden. Chaotische Durchsagen, die meisten Züge fielen aus. Dabei wurde weder gestreikt, noch war das Wetter schlecht. Am Gleis 25 stand der EC nach Prag, um weiterzukommen.
Herr Zurfluh stockt erneut: „Deutschlandticket gültig? Egal, man muss nehmen, was es gibt. Offiziell ist das verboten, die Deutsche Bahn möchte offenbar nicht kulant sein. Das Deutschlandticket gilt nur für den Nahverkehr, einerlei, was geschieht. Sehr kundenfreundliche Regelungen!“ Bei einer Verspätung erhält man maximal Euro 1.50 zurück, dafür ist ein zweiseitiger Antrag auszufüllen. Doch glücklicherweise wird dieser EC nicht von der Deutschen Bahn betrieben.
Im Zug nach Prag spreche ich ein Ehepaar aus Lissabon an. Sie wollten nach Amberg, sollten für nach Nürnberg in Regensburg umsteigen. Das Reisecenter hatte ihnen die Verbindung empfohlen. „Quatsch, besser im Zug bis Schwandorf bleiben, gleiche Strecke, doch dann sind es nur noch 15 km bis zu Ihrem Ziel.“ Die beiden Touristen haben nur München besucht, holen ein Auto in Amberg ab, um nach Lissabon zurückzufahren. „Warum reist kaum jemand in die kleineren Orte, die auch ihren Reiz haben?“
Stephan Zurfluh kennt die Linie, sie verbindet Regensburg und Nürnberg und ist dank DeutschlandTicket oft überfüllt. Die Deutsche Bahn schafft hier keine Abhilfe, ergänzende Zugteile lassen sehr zu wünschen übrig. In Regensburg wird auch gern mal das Gleis geändert.
Von Schwandorf gings dann weiter mit der Oberpfalzbahn nach Marktredwitz. Es bestehen immer weniger direkte Züge zu den Zentren von Regensburg oder München. Die Bahn bis Weiden war ebenfalls überfüllt. Dann wurde es ruhig. Die Schaffnerin kannte allerdings keinerlei Verbindung nach Franzensbad: „Es gibt seit Fahrplanwechsel keinen Zug mehr.“ Stephan Zurfluh schaute nun in der Bahnapp nach; “ach ja, das ist nun Agilis, wusste ich nicht, mir wurde gesagt, es fahren hier keine Züge mehr.”
In Marktredwitz müssen Koffer zum Gleis hochgeschleppt werden. Behindertenfreundlichkeit scheint an den meisten deutschen Bahnhöfen ein Fremdwort zu sein. Auf der Anzeigetafel am Gleis wieder Zugausfälle der Deutschen Bahn. Nur der Agilis Zug fährt. Eine Verbindung nach Hof und eine gegenüber nach Bad Steben gibt es. Die meisten möchten nach Hof. Stephan Zurfluh muss manchen Leuten erklären, am besten den Zug nach Bad Steben zu nehmen. Glücklicherweise kennt er sich aus, da er in der Region aufwuchs. Vor einigen Jahren wurde mit EU Geldern das fehlende Stück instand gesetzt. Früher führten über Hof-Eger die Dampfzüge von Danzig nach Wien.“
Die Bahn nach Hof kam pünktlich an. Besagte Reisende wurden allerdings nur mittels undeutlicher Lautsprecher informiert. Den Lokführer kümmerte es nicht, falls jemand falsch einstieg, obwohl die Fahrt dreimal so lange wie die Fahrt Richtung Bad Steben dauert, und die Fahrt für Tschechien ein separates Ticket erfordert. Das DeutschlandTicket gilt hierfür nicht. Der Automat im Agilis Zug war defekt. “Lösen Sie am Bahnhof!” Nur saß man nun im Zug.
Ein Plakat mit Strecken ohne die momentane Linie durch Tschechien hing aus. Keine Kontrolle fand statt, in der Agilis bis Eger saßen nun ja praktisch nur Schwarzfahrer. In Eger füllte sich der Zug: „Lokführerwechsel, Europa lässt grüßen.“ Nach 30 km Fahrt wechselte der Lokführer erneut. Vorher Ausstieg in Franzensbad „Jetzt geht es zur Kur!“
Fazit
Eine Reise mit der Deutschen Bahn ist etwas für Abenteurer. Privatbahnen gewinnen oft die Ausschreibungen für den Regionalverkehr. Meistens sind diese pünktlich, die Züge modern, das Personal freundlich. Alle Züge fahren auf einem Netz, das überlastet ist. Überdies erfordern diese vielen Privatbahnen einen höheren Koordinationsaufwand.
Der Zug ist ein bequemes und schnelles Verkehrsmittel. Die Politik sollte dafür die Verantwortung übernehmen, damit viele Bürger die Bahnen auch nutzen. Bürger sollten sich gegen Dreistigkeiten von Bahnbossen wehren.
Wobei dafür Verantwortliche ihre Verantwortung auch spüren sollten, um sie wirklich wahrnehmen zu können. Politiker und öffentliche Führungskräfte sollten daher in naher Zukunft nur noch mit der 2. Klasse unterwegs sein und den Nahverkehr nutzen müssen. Wahrscheinlich könnten so politische Veranstaltungen mit Spitzenkandidaten für eine bestimmte Zeit nur noch in Berlin stattfinden.