Der Tourismus ist eine Branche, die zunehmend wächst und gleichsam immer mehr Ressourcen fordert, mittlerweile zum wichtigsten Arbeitgeber, und die Touristik nimmt auf die weltweite Wirtschaft wesentlichen Einfluss. Doch in wirtschaftlichen Betrachtungsweisen rückt dies in den Hintergrund. Wie sehen hier die weiteren Entwicklungen aus, und was könnten wir verbessern?
80 Mio. Auslandstouristen sorgen in in den USA für 1,2 Mio. Arbeitsplätze und spülen jährlich 250 Mrd. Umsatz in die Kassen, liess der amerikanische Botschafter in der Schweiz, Ed McMullen an einen Workshop verlauten. Doch viel wichtiger sind die touristischen Ausgaben der Einheimischen und bei Geschäftsreisen. Wenn dies eingerechnet wird, so macht der Tourismus tatsächlich in den meisten Ländern mittlerweile den wichtigsten Arbeitgeber aus.
Der Tourismus kennt einige Monopole zu den Buchungsplattformen im Internet und von manchen Hotelgruppen, beispielsweise in Las Vegas. Doch meistens verwöhnen zahlreiche mittelständische Hoteliers ihre Gäste mit unverkennbarem Einsatz. Zahlreiche Privatleute stellen ebenfalls Übernachtungsmöglichkeiten bereit, und viele abgelegene Orte erzielen dank Tourismus noch Einkünfte.
Reisende befinden sich oft in schizophrenen Situationen wieder. Das was sie suchen, eben dieses Unverfälschte und einzigartig Ungetrübte, wird durch ihre Anwesenheit zerstört. Wunderhübsche Altstädte werden sorgsam restauriert, verfallen aber Dank des Tourismus intellektuell. Besonders weil sich deren Bewohner die Mieten nicht mehr leisten können und in die Vorstädte ziehen. Was zurück bleibt sind Hotels, Souvenirläden, Restaurants und teure Zweitwohnungen.
Wir Menschen begeben uns immer wieder auf die Suche nach dem einzigartig Anderen, indes sich doch alles ständig verändert, entwickelt. Dies liegt (neben unserem wesenhaften Anspruch nach Geborgenheit, Bindung und Zugehörigkeit) an unserem ebenso ureigenen Bedürfnis nach Freiheit (Autonomie, Entwicklung, Lernen, Unabhängigkeit). Insofern verliess die Chilischote einst Amerika und entfachte sogar weit weg in Asien als scharfes Gewürz seinen Siegeszug. Oder ein Engländer entwickelte einst unser beliebtes „Curry“. Zahlloses was heute als „typisch“ gekennzeichnet ist, wurde dereinst mittels Tourismus typisiert.
Bestes Beispiel verkörpert „Lianjiang“. Das chinesische Bergdorf war als UNESCO Weltkulturerbe klassifiziert worden. Als es nach einem Erdbeben an einer totalen Zerstörung litt, erfolgte ein rascher Wiederaufbau inkl. Paläste und Brücken, welche es früher nie gegeben hatte. Die chinesische Regierung schuf hier ein wichtiges Tourismuszentrum, insbesondere für den einheimischen Tourismus und zieht jährlich 40 Mio. Besucher an. Für dessen Personal wurde in der Umgebung eine neue Grossstadt errichtet .
Las Vegas zeigt, wie mit Tourismus massenhaft Arbeitsplätze geschaffen und noch mehr Profite generiert werden. Natürlich profitiert(e) die Stadt vom Glückspielgesetz; doch auch andere Orte in den USA können gewinnbringende Casinos betreiben. Aber in Las Vegas wurden um die Casinos herum äusserst viele Vergnügungsstätten gebaut und einige Innovationen, wie „die Blitzheirat“ geschaffen. Heute arbeiten in Las Vegas weit mehr Menschen für den Tourismus als in Detroit für die Autoindustrie.
Dabei begann die immense Wertschöpfung erst mit dem Aufkommen vernünftiger Löhne und ausreichender Freizeit, welche sich in hohen Gästezahlen manifestiert. Als deren Geburtsstunde gilt die Zeit der „Neckermänner“ (Pauschaltouristen). Der Zenit scheint nun aber überschritten zu sein.
Dadurch, dass nun die Volkswirtschaften Asiens boomen und ein gerütteltes Mass asiatischer Touristen zu Europaaufenthalten anregen, spüren wir diese Art Niedergang nicht. Die erwähnten Volkswirtschaften sorgen schliesslich für hohe Tourismuszahlen. Mithin können wir kaum noch qualitativen Tourismus gestalten, die Branche versagt.
Auch die reihenweise Rentner, welche über genügend finanzielle Rücklagen zum Reisen verfügen, machen nur ein Aufbäumen aus; denn sie sind nur wenige im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung. Unsere Volkswirtschaften greifen den Tourismus sukzessive an. Den meisten Arbeitnehmern fehlt es trotz mangelnder Freizeit hinsichtlich qualitativem, nachhaltigem Reisen an Kaufkraft. Auch Altersarmut wird immer mehr prognostiziert. Damit würde Tourismus wieder zu einer Domäne der Reichen abgleiten, für die arme Masse würde die Touristik alternative Billigvarianten zum Reisen entwickeln. Eine solche Abwärtsspirale begann eben schon länger, – wie bereits hier skizziert.
Jedoch steckt das Reisen tief im Menschen.
Diesen Trend müssten wir demnach bekämpfen. Reisen darf nicht ein Privileg weniger werden, gleichzeitig bräuchte es Rücksichtnahme und echte, – wirklich echte Nachhaltigkeit. Qualitatives Wachstum ist aber nur möglich, wenn jeder Konsument genügend Geld für schöne Reisen spart, und die Touristik dann auch entsprechende Produkte zu entwickeln vermag.
Autor
Stephan Zurfluh
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Quelle:
– Die Welt im Selfie, Marco d’Eramo, erschienen im Suhrkamp Verlag
– Eigene Erlebnisse und Eindrücke
Hintergründe
www.tourismus.consulting/
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